11. August 2021

INSEKTEN ESSEN – SNACKS MIT SECHS BEINEN.

GIBT ES DIE EXOTISCHEN SPEZIALITÄTEN AUCH BALD BEI UNS?

Gegrillte Heuschrecken, frittierte Mehlwürmer oder Käfer im Lolli: Was unsereins meist nur als Streetfood-Mutprobe aus dem Asienurlaub kennt, gehört in vielen Ländern zum „täglich Brot“. Dort gelten essbare Insekten als wahre Delikatessen. Doch auch für westliche Kulturen könnte Insektennahrung zukünftig eine Rolle spielen. Manche Forscher sehen darin nämlich eine klimafreundliche, gesunde Fleischalternative.

Weltweit gibt es rund 1400 essbare Insektenarten

Heuschrecken, Käfer, Motten, Larven, Maden, Ameisen, Mehlwürmer, Raupen, Wespen, Spinnen … Was sich wie Futterangebot für Reptilien im Heimtierbedarf liest, ist tatsächlich eine Liste an essbaren Insekten, die auch der Mensch verzehren kann. Ob frittiert, mit Schokolade überzogen, in Karamell getaucht oder als knuspriges Topping für den Salat: Weltweit gehören etwa 1400 essbare Arten für rund zwei Milliarden Menschen zu ihrer Ernährung. Die meisten davon leben in rund 130 meist tropischen Ländern, vor allem in Südostasien. Dort ist Entomophagie, so der Fachbegriff fürs Insekten-Essen, weit verbreitet.

Woher der neue Trend kommt

Anders bei uns: Insekten stellen in der westlichen Kultur ein Nahrungstabu dar und lösen statt Appetit Ekel aus. Das könnte sich aber ändern: Seit der Jahrtausendwende macht sich der Trend zum Insekten-Essen zumindest in manchen Nischen bemerkbar. Sogar die großen Lebensmittelkonzerne zeigen Interesse am Thema. Nicht zuletzt wohl deswegen, weil die UN-Welternährungsorganisation FAO 2013 in einem Bericht Insektennahrung als mögliche Lösung für die Welternährung behandelte. Nachhaltigkeit spielt dabei eine große Rolle. Zwar sind Insekten streng genommen kein fleischloser Genuss, doch die Vorteile für die Umwelt scheinen auf der Hand zu liegen. Im Vergleich zu Rindern oder Schweinen sind Insekten anspruchsloser, dafür effizienter. Sie brauchen in der Zucht weniger Platz, Futter und Wasser. Dabei stoßen sie ungleich weniger Treibhausgase aus, vermehren sich rascher und sind bessere „Futterverwerter“ als Säugetiere.

Krosse Insekten auf einem Teller

Wie gesund sind essbare Insekten?

Als Fleischalternative gelten essbare Insekten aufgrund ihres hohen Proteingehalts. Außerdem enthalten sie ungesättigte Fettsäuren, Omega-3-Fettsäuren, Eisen, Zink sowie Vitamine. Nahezu fett- und kohlenhydratfrei, sind sie trotzdem sehr nahrhaft. Da sich die zahlreichen Arten mitunter stark unterscheiden, sind aber nicht alle gleich in ihrer Nährstoffzusammensetzung. Zudem kommt es auch auf das Futter für die Insekten und die Zubereitungsweise an. Dennoch sind Insekten grundsätzlich ein wertvolles Nahrungsmittel. Lediglich Allergiker sollten aufpassen, da bei Allergien gegen Hausstaubmilben sowie Schalen- und Krustentiere Kreuzallergien auftreten können.

Von der historischen Maikäfersuppe zum Fitness-Proteinriegel

In Europa waren Insekten übrigens nicht immer von den Tellern verbannt. Die Griechen und Römer der Antike verspeisten Larven, Zikaden und Co. mit Genuss. Noch gar nicht so lange her ist es, dass in Deutschland, Österreich und Frankreich Maikäfersuppe auf den Tisch kam. In Sardinien wird bis heute Casu Marzu („verdorbener Käse“) hergestellt. Dieser überreife Schafmilchkäse wird so lange stehen gelassen, bis Insekten Eier hineinlegen und Maden darin heranwachsen. Abgesehen von solch lokalen Spezialitäten ist der Markt noch sehr beschaulich. Hauptsächlich sind es Start-ups, die etwa Pasta oder Energieriegel für Sportler mit der besonderen Zutat „Insekt“ produzieren und vor allem übers Internet vertreiben. Diese Produkte bieten Insekten in verarbeiteter Form an, etwa als Insektenmehl oder Burger-Patty. Derart unsichtbar gemacht, sollen Insekten einer breiteren Zielgruppe schmackhaft gemacht werden.

Essbare Insekten in Europa: geregelt, aber …

Seit einer EU-Regelung aus 2018 können auch in der EU Insekten produziert und verkauft werden. Sie müssen aber als für den Verzehr geeignete Speise-Insekten gekennzeichnet sein. Hygienische Standards für die Futterqualität und in der Zucht sowie Verarbeitung müssen eingehalten werden. Die Zuchtbedingungen selbst sind jedoch noch nicht geregelt. Vorreiter sind hier die Niederlande. Den Großteil des Marktes bedienen aber professionelle Insektenfarmen in Asien. Und das ist auch mit ein Grund, warum in der Industrie von Insektennahrung derzeit (noch) der Wurm drin ist.

Holzwurm-Insekten gebraten auf einem Teller

Nachhaltige Insektennahrung – ein Mythos?

Früher wurden Insekten zum Essen einfach in der Natur gesammelt. So wie sie heute im großen Umfang produziert werden, ist das nicht mehr so nachhaltig. Häufig kommen Futtermittel und -zusätze zum Einsatz, die von einem Umweltstandpunkt aus problematisch sind – etwa Fisch- und Sojamehl. Auch Kinderarbeit soll in der Branche nicht selten vorkommen. Am Ende entstehen Produkte, die sich die einheimische Bevölkerung gar nicht leisten kann. Stattdessen exportiert man sie gewinnbringend ins Ausland, über lange Transportwege. Auch dort sind Insekten eher noch eine teure Nische. Ob sie sich irgendwann als Massennahrungsmittel durchsetzen werden, bleibt also abzuwarten. Bis dahin sollte man auf eine nachhaltige, möglichst lokale Produktion achten. Oder man lehnt die vielbeinigen Snacks weiterhin ab – ohne schlechtes Gewissen.

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